Mittlerweile
sind schon einige Jahre ins Land gegangen seitdem
ich nach Bonn gezogen bin und doch bin ich an diesem
Januarabend zum ersten Mal an einem der
bekanntesten, man kann schon fast sagen legendärsten,
Veranstaltungsorte Bonns: Der Harmonie
Seit vielen Jahren fester Bestandteil der WDR –
Rockpalast Szenerie und Heimstätte für Konzerte
vor allem aus dem Blues, Jazz und Rockbereich war
mir die Harmonie schon aus dem Fernsehen vertraut,
aber live sind nicht nur Bands anders. Die L-Form
des Konzertsaals ist im ersten Moment etwas gewöhnungsbedürftig,
aber da die Bühne in Richtung des breiteren Teils
ausgerichtet ist, wo sich der überwiegende Teil des
Publikums aufhält, sorgt so der Thekenteil des L
eher für eine Entzerrung als für Irritation. Um
die Kapazität des nicht eben großen Saals
aufzustocken und den nicht mehr ganz so fitten
Semestern auch die Möglichkeit auf den
Komplettgenuss zu geben, gibt es über dem Mischpult
noch eine bestuhlten Tribüne, was für den
geneigten Metal- und Hardcorefreund in Deutschland
nicht der alltäglichste Anblick ist.
An diesem Abend hat die Legende
TEN YEARS AFTER
gerufen und Classic Rock City Bonn hat sich
nicht lumpen lassen, so dass trotz des nicht eben
geringen Eintrittspreises das Konzert bereits im
Vorfeld ausverkauft war. Trotz des erwartet hohen
Altersdurchschnitts im knapp 500 Menschen starken
Publikum sieht man doch auch einige studentisch
anmutende Gesichter, was wieder einmal beweist, dass
guter handgemachter Rock zeitlos ist und bleiben
wird.
Jetzt aber genug der Randbetrachtungen, denn für
die nächsten knapp zwei Stunden gehört die
Aufmerksamkeit ganz der Band, die mit Leo Lyons am
Bass, Chick Churchill am Keyboard und Ric Lee am
Schlagzeug immer noch drei Gründungsmitglieder in
ihren Reihen hat, die, alle jenseits der 60, das
Publikum vom Alter her größtenteils noch in die
Tasche stecken. Nur der erst 31-jährige Sänger
& Gitarrist Joe Gooch fällt da etwas aus der
Reihe.
Und auch sonst scheint er eher der ruhende Pol bei
TEN YEARS AFTER zu sein, denn während die drei
erfahrenen Recken zwischen (und im Falle des
Keyboarders auch während) den Liedern das Publikum
mit Ansagen und Anfeuerungen bestens unterhalten,
kommt ihm nur hin und wieder mal ein bescheidenes
„Thank You“ über die Lippen. Die Ansagen der
anderen reichen dabei von der Vorstellung von
Drummer Ric durch Bassist Leo mit den Worten: „Talking
about hallucinogenic drugs i’ld like to introduce…“
und auch die jahreszeitbeeinflusste Ansprache von
Ric kommt beim Publikum bestens an:
„I hope Santa brought you all the things you
wished for. He missed me again. I’m hoping for a
Rolls Royce since years but haven’t got one yet.
(an Chick Churchill gewandt:) Oh, you wished for a
25 year old woman? She came after Christmas? Eh,
that doesn't sound good. Let’s say: She arrived
after Christmas…”
Während der Lieder dagegen legt der Frontmann
jegliche Scheu ab und verzaubert nicht nur mit
seiner warmen, samtigen Stimme sondern vor allem mit
seinem begeisternden Gitarrenspiel. Die Finger rasen
übers Griffbrett und neben den bandeigenen Liedern
samt unzähliger Soli werden immer mal wieder kleine
Riffzitate eingebaut, die von ELVIS PRESLEY über
JIMI HENDRIX bis zu DEEP PURPLE reichen. Dazu gibt
es reichlich kleine Duelle zwischen ihm und dem Bass
oder dem Keyboard, wenn er sich leicht provozierend
neben den jeweiligen Bandkollegen stellt und ihn mit
seinen Flitzefingern anspielt, worauf immer die
prompte Antwort erfolgt. Wenn er neben der
Begeisterung während, für und mit der Musik noch
ein wenig mehr auf das Publikum zugehen würde, könnte
(bei allem Respekt TYA gegenüber) die Band für ihn
irgendwann zu klein werden…
Aber die anderen Musiker von TEN YEARS AFTER müssen
sich mit ihrer Instrumentalkunst in keiner Weise vor
ihm verstecken. Selbst wenn Keyboarder Chick den
Auftritt sitzend hinter sich bringt (nach einer
Knie-OP) und durchweg auffällig Kaugummi kaut,
spielt er doch gleichzeitig mit mehr Gefühl und
Energie als viele der modernen Zappelphilippe und
bekommt ausreichend Raum für zahlreiche kurze
Soloattacken. Auch Drummer Ric, der auf mich anfangs
noch ein bisschen steif wirkt, legt spätestens während
seines minutenlangen Solos, bei dem der Rest die
Band die Bühne verlässt, jegliche Fesseln ab und
im Halbdunkel kommen so auch die farblich zum Hemd
passenden, leuchtenden Drumsticks erstmals zu voller
Geltung.
Der wahre Zeremonienmeister auf der Bühne ist aber
Bassist Leo Lyons. Mit seiner Agilität, Freude und
Spielkunst setzt er Maßstäbe, und mit dem Schädel
& Pailettenhemd würde er auch in einer modernen
amerikanischen Band nur durch seine schlohweiße, im
Wind wehende Mähne auffallen. Mit schelmischem
Grinsen und mehr Bewegung als der Großteil des
Publikums setzt er dem Auftritt das Sahnehäubchen
auf. Auch mit mehr als 40 Jahren Bühnenerfahrung
wirkt er immer noch so freudig erregt über die Möglichkeit
vor ausverkauftem Haus spielen zu dürfen, dass es
der pure Genuss ist ihm zuzuschauen. Und als er gen
Ende (endlich, möchte man sagen) die Gelegenheit zu
einem längeren Solo bekommt, kann er endgültig
beweisen, dass Alter nicht vor Fingerfertigkeit schützt.
Neben den nur zwei Liedern vom aktuellen Album, das
immerhin den Namen für die Tour stellt, gibt es nur
einen größeren Wermutstropfen, und das ist das
sehr agilitätsarme Publikum. Zwar gibt es bei
Liedankündigungen einzelne Jubelrufe und der
Applaus nach jedem Lied und jedem Solo ist laut und
lang anhaltend, aber während der Lieder steht der
Großteil der Menge ziemlich steif in der Gegend
herum und auch Mitsänger sind so gut wie gar nicht
auszumachen. Sicher ist bei der Musik von TEN YEARS
AFTER nicht die riesige Action zu erwarten, aber ein
bisschen mehr Mitschwofen als rumstehen und während
jedem dritten Lied ein wenig Kopfnicken oder Fußwippen
darf man meines Erachtens schon erwarten, gerade da
viele der Anwesenden unter Garantie die Band nicht
zum ersten Mal gesehen haben.
Der Band scheint das aber wenig auszumachen, oder
sie kennt es bereits von einem ihrer früheren
Besuche in der Harmonie, und so trifft man sie fröhlich
strahlend nach dem Auftritt am Merchstand.
Chapeau TEN YEARS AFTER und danke für einen sehr
schönen Einstieg ins Konzertjahr 2009!
Setlist:
Working On The Road
King of the Blues
Hear Me Calling
Angry Words
Big Black 45
50.000 Miles Beneath My Brain
The Hobbit
Love Like A Man
Slip Slide Away
I’ld Love To Change The World
Good Morning Little Schoolgirl
? (aus der Abkürzung auf dem Setlistzettel nicht
rekonstruierbar)
I’m Going Home
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+ 2 Zugaben
Fotos
mit freundlicher Erlaubnis von Ed Reinfeldt
Vielen Dank nochmal an dieser Stelle!
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